Anerkennung einer Schwerbehinderung – Schwerbehindertenrecht – GdB – Merkzeichen und Nachteilsausgleiche

Es liegt – erneut – ein Entwurf einer 6. Änderungsverordnung zur Versorgungsmedizinverordnung aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor (Bearbeitungsstand 18.12.2024, 13:57 Uhr).

Im Folgenden finden Sie eine vertiefte, sehr ausführliche und zugleich kritisch kommentierte Darstellung der geplanten Neuerungen durch die Sechste Änderungsverordnung (6. ÄndVO) zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV). Der Schwerpunkt liegt auf den Änderungen in den einzelnen Funktionsbereichen und ihren praktischen Auswirkungen für Betroffene. Zugleich betrachte ich potenzielle Risiken oder Nachteile, die eine restriktive Anwendung dieser neuen Regelungen in der behördlichen Praxis mit sich bringen könnte.

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  1. Allgemeine Zielsetzung der 6. ÄndVO und kritische Vorbemerkungen ────────────────────────────────────────────────────────────────────────

1.1 Intention der Novellierung
• Die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) dient als zentrale Grundlage zur Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) und des Grades der Schädigungsfolgen (GdS). Mit der 6. ÄndVO verfolgt der Verordnungsgeber vorrangig das Ziel, diese Versorgungsmedizinischen Grundsätze an aktuelle medizinische Erkenntnisse und insbesondere an das Verständnis der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) anzupassen.
• Die Neuerungen sollen laut Erläuterungen zu einer verbesserten Systematik und Übersichtlichkeit beitragen, indem insbesondere Teil A („Gemeinsame Grundsätze“) überarbeitet und die dort enthaltenen Regelungen präzisiert werden. Weiterhin spielen psychosoziale Faktoren und Teilhabebeeinträchtigungen eine größere Rolle.

1.2 Kritische Vorbemerkungen
• Bereits in der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass jede Veränderung der VersMedV sowohl Chancen für eine fortschrittliche, teilhabeorientierte Anwendung als auch Risiken birgt, wenn die Versorgungsämter Neuerungen eher restriktiv auslegen.
• Die Verlagerung wichtiger Details – beispielsweise zur Heilungsbewährung – in Teil A kann zu einer klareren Gesamtstruktur führen; gleichzeitig besteht jedoch die Gefahr, dass in Teil B bisher vorhandene, sehr konkrete Vorgaben für einzelne Erkrankungen entfallen und so Spielraum für strengere oder missverständliche Auslegungen entsteht.

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  1. Überarbeitung im Aufbau: Teil A und neue Systematik ────────────────────────────────────────────────────────────────────────

2.1 Zusammenführung der Heilungsbewährung und anderer Grundsatzregelungen
• In der bisherigen Fassung war die Heilungsbewährung in Teil B (z. B. bei onkologischen Erkrankungen) thematisch eingegliedert. Die 6. ÄndVO zieht diese Regelungen nun in Teil A – Nummer 2 (gemäß Entwurf) – hoch, um sie allgemeiner, funktionsübergreifend zu erläutern.
• Vorteil: Betroffene haben so schneller einen Überblick über zeitlich befristete höher angesetzte GdB-Werte, ohne erst in die spezifischen Kapitel der Krankheit (bösartige Tumoren, Organtransplantationen) schauen zu müssen.
• Kritik: Einzelne Sonderregelungen für seltene Krebserkrankungen oder Spezialfälle könnten im Redaktionsprozess wegfallen oder zu knapp ausfallen. Das erschwert die Argumentation, wenn der medizinische Einzelfall nicht eindeutig zum pauschalen Standard passt.

2.2 Neue Klarstellungen zu GdB, GdS und Teilhabebeeinträchtigungen
• Teil A soll einen einheitlichen Bezugsrahmen schaffen, wie körperliche, seelische und geistige Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung von Umwelteinflüssen und psychosozialen Faktoren in die GdB-Berechnung einfließen.
• Die offizielle Begründung verweist auf die UN-BRK, die Behinderung als Wechselwirkung zwischen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung und gesellschaftlichen Barrieren beschreibt. Das klingt modern und fortschrittlich.
• Kritik: In der Praxis hängen Teilhabebeurteilungen stark vom Engagement der Gutachterinnen und Gutachter ab. Eine bloß formal verankerte UN-BRK-Orientierung führt nicht zwangsläufig zu tatsächlich höheren GdB-Werten, wenn die Ämter die neuen Kriterien sehr eng auslegen.

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  1. Änderungen in den spezifischen Funktionsbereichen – Überblick ────────────────────────────────────────────────────────────────────────

Die VersMedV gliedert sich bei der Beurteilung des GdB bzw. GdS üblicherweise in verschiedene Funktionssysteme und Krankheitsgruppen. Nachfolgend die wichtigsten Neuerungen und kritischen Anmerkungen:

3.1 Onkologische Erkrankungen (Tumore, Transplantationen)
• Heilungsbewährung:
– Bisher: Detaillierte Vorgaben in Teil B, je nach Tumorart häufig ein befristet hoher GdB (z. B. GdB 80 oder 100) für 5 Jahre nach Abschluss der aktiven Therapie.
– Neu: Diese Grundsätze werden in Teil A gebündelt und weitgehend pauschal formuliert.
– Kritik: Wer an einer seltenen Tumorerkrankung leidet, bei der es bislang vielleicht eine speziell definierte Heilungsbewährung gab, könnte nun Schwierigkeiten haben, den Nachweis für eine längere oder intensivere Heilungsphase zu erbringen, falls dies nicht ausdrücklich in Anhang oder Kommentierung genannt ist.

  • Kombination mit psychischen Belastungen und Fatigue:
    – Gemäß Entwurf soll ausdrücklich geklärt werden, dass z. B. eine ausgeprägte Fatigue, wenn sie nicht typischer Bestandteil der Grunderkrankung ist, als zusätzliche Funktionsbeeinträchtigung in den GdB einfließen kann.
    – Das klingt positiv, kann aber scheitern, wenn Gutachter dies routinemäßig als normalen Verlauf einer Krebserkrankung abtun, statt es als eigenständige Beeinträchtigung zu werten.

3.2 Herz-Kreislauf-Funktionsbereich
• Anpassung an aktuelle medizinische Klassifikationen (z. B. NYHA-Stadien bei Herzinsuffizienz):
– Die Verordnung soll präzisieren, wie weit psychosoziale Einschränkungen (z. B. Mobilitäts- und Arbeitsfähigkeit) in den einzelnen Stadien zu berücksichtigen sind.
– Kritischer Punkt: Eine klarere Bezeichnung allein garantiert nicht, dass sich die Behörde immer eingehend mit der Arbeits- und Teilhabesituation befasst, wenn Diagnosen formal einer mittleren NYHA-Klasse zugeordnet sind.

  • Implantierbare Geräte (ICD, Herzschrittmacher) und postoperative Heilungsphasen:
    – Heißt nach neuem Entwurf oft: Ein zeitlich befristeter höherer GdB, danach eine erneute Überprüfung.
    – Gefahr: Für Betroffene kann es bei einer restriktiven Anwendung schneller zu Herabstufungen kommen, weil die Behörde das Vorliegen einer „stabilen“ Versorgung oder „normalen“ Alltagstauglichkeit annimmt, ohne Komplikationen ausreichend anzuerkennen.

3.3 Orthopädische und Bewegungsapparat-Funktionsbereiche
• Gestärkte Betrachtung der Alltagsbeweglichkeit und Teilhabeeinschränkungen:
– Der Entwurf betont die Bedeutung von Gehstrecken, Treppensteigen, Kraft und Koordination. Rein anatomische Messungen (Bewegungswinkel) sollen nicht allein maßgeblich sein.
– Kritik: In einer idealen, teilhabeorientierten Praxis könnte dies Menschen mit ausgeprägten Mobilitätseinschränkungen tatsächlich helfen. Bei restriktiver Umsetzung könnten Ämter jedoch argumentieren: „Wenn Du mit Hilfsmitteln zurechtkommst oder Unterstützung hast, bleibt die Teilhabebeinträchtigung ‚gering‘.“

  • Subjektive Schmerzkomponente vs. objektive Funktionseinbuße:
    – Nach dem Entwurf ist vorgesehen, die individuelle Schmerzproblematik stärker zu würdigen. Trotzdem kann es in der Praxis zum Streitpunkt werden, ob Schmerzen „typische Begleiterscheinungen“ sind oder eine eigenständige Funktionsstörung, die den GdB erhöht.

3.4 Neurologische Erkrankungen (Multiple Sklerose, Epilepsie, Parkinson, Schlaganfall)
• Schärfere Abgrenzung von Komorbiditäten:
– Neu ist, dass in Teil A ausdrücklich auf neurologisch-psychiatrische Gemengelagen hingewiesen wird. Beispiel: Kognitive Defizite, Depressionen oder Fatigue bei Multipler Sklerose.
– Vorteil: Klarstellung könnte höheren Gesamt-GdB bringen, wenn die Komorbidität nachweislich über das gewöhnliche Maß hinausgeht.
– Kritik: Fehlt eine eindeutige ärztliche Dokumentation, könnten Ämter geneigt sein, alles unter „typische MS-Symptome“ o. Ä. zu subsumieren und nicht gesondert anzuerkennen.

  • Beurteilung der Anfallsleiden:
    – Bei Epilepsie und anderen Anfallserkrankungen wird explizit betont, dass die Anfallshäufigkeit, -intensität und die Auswirkungen auf Beruf, Führerschein, Alltagsaktivitäten relevant sind.
    – Gefahr bei restriktiver Auslegung: Kurze Zeiträume ohne Anfälle könnten zur schnellen Herabstufung führen, obwohl weiterhin ein hohes Rezidivrisiko besteht oder die psychische Belastung (Angst vor Anfällen) extrem einschränkt.

3.5 Psychische Erkrankungen, Schmerzstörungen und Komorbiditäten
• Fortentwicklung versus Verhärtung?
– Einerseits stellt der Entwurf klar heraus, dass Diagnosen wie Depressionen, Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen oder ausgeprägte ADHS deutlicher berücksichtigt werden sollen.
– Andererseits wird betont, dass leichte psychische Beeinträchtigungen (z. B. geringe Anpassungsstörungen) den GdB kaum anheben.
– Kritische Frage: Wo wird die Grenze gezogen? Es droht die Gefahr, dass Behörden selbst mittels Gutachten argumentieren, viele Beschwerden seien nur von geringer Relevanz, um den GdB niedrig zu halten.

  • Schmerzstörungen und psychosomatische Aspekte:
    – Erstmals wird in Teil A größerer Raum den somatoformen Schmerzstörungen eingeräumt, was Klassen wie F45 (nach ICD-Klassifikation) betreffen kann.
    – Bei restriktiver Auslegung mag es heißen: „Typische Schmerzen gehören zur Grunderkrankung, separate GdB-Erhöhung kommt nicht in Betracht.“ Die Unsicherheit könnte sogar steigen, weil der Entwurf keine konkrete, tabellarische Richtlinie für Schmerzstörungen anbietet.

3.6 Rheumatologische und Autoimmunerkrankungen (z. B. Rheumatoide Arthritis, Lupus, Psoriasis-Arthritis)
• Mehrfachbeteiligungen von Organen:
– Der Entwurf stärkt (zumindest in der Theorie) die Position Betroffener, indem er darauf hinweist, dass mehrere Organsysteme (Gelenke, Haut, Nieren, Herz, Lunge) getrennt zu betrachten sind und ihre Funktionsbeeinträchtigungen gegebenenfalls summiert werden müssen.
– Kritik: Sind die Einzelstörungen jedoch nur leicht eingestuft (GdB 10 oder 20), könnte das Versorgungsamt die Gesamtschau schnell herunterrechnen („keine wesentliche Erhöhung“).

  • Schubförmiger Verlauf:
    – Die Behörden sollen angeblich eine genauere Dokumentation verlangen, wie häufig Schübe auftreten. Ein restriktiver Umgang könnte dazu führen, dass nur „sehr häufige und schwere Schübe“ anerkannt werden, während Betroffene mit sporadischen, aber durchaus gravierenden Schüben leer ausgehen.

3.7 Endokrinologische Krankheitsbilder (Diabetes mellitus, Schilddrüsenerkrankungen)
• Diabetes:
– Eine explizitere Berücksichtigung von Unterzuckerungsängsten, Hypoglykämiewahrnehmungsstörungen und Folgeschäden (Retinopathie, Nephropathie, Neuropathie) klingt zunächst hilfreich.
– Umgekehrt kann es passieren, dass die Behörde eine vermeintlich „gute Stoffwechsellage“ – nach Aktenlage – als Beweis dafür wertet, ein höherer GdB sei nicht gerechtfertigt, obwohl die tägliche Lebensführung (ständige Blutzuckermessung, Angst vor spontaner Entgleisung) sehr belastend ist.

3.8 Sinnesstörungen (Seh-, Hör- und Gleichgewichtsstörungen)
• Teilhabeorientierte Bewertung?
– Bei Sehbehinderungen könnte zusätzlich betrachtet werden, inwiefern sich der Betroffene in Alltag und Beruf zurechtfinden kann (Nutzung von Hilfsmitteln, Orientierung in unbekannter Umgebung etc.).
– Kritisch zu sehen ist, ob eine restriktive Praxis sagt: „Wenn jemand sein Smartphone und Apps benutzt, ist er nicht so stark beeinträchtigt – also kein höherer GdB.“

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  1. Praktische Vorteile und mögliche Verschlechterungen ────────────────────────────────────────────────────────────────────────

4.1 Vorteile bei wohlwollender Anwendung
• Höhere Transparenz: Die gebündelten Regelungen in Teil A zu Heilungsbewährung, Schmerz- und Psychobeurteilung können das Verfahren für Betroffene klarer machen.
• Stärkere Berücksichtigung der UN-BRK: Das theoretische Bekenntnis zur Teilhabeorientierung könnte dazu führen, dass Komorbiditäten bei einzelnen, komplexen Erkrankungen genauer erfasst werden – und so der Gesamt-GdB steigt.

4.2 Potenzielle Verschlechterungen
• Wegfall spezifischer Einzelregelungen in Teil B: Reduziert möglicherweise die Rechtssicherheit, vor allem bei seltenen Erkrankungen oder Sonderfällen, für die vorher konkrete Beispiele existierten.
• Nach wie vor schwierige Summation leichter GdB-Werte: Mehrere Beeinträchtigungen mit je GdB 10 können weiterhin an einer niedrigen Gesamteinstufung scheitern, wenn die Behörden meinen, es ergebe sich keine wesentliche Zunahme der Teilhabebeeinträchtigung.
• Restriktive Handhabung: Ein enger Ansatz bei der Prüfung von Komorbiditäten (Stichwort „das gehört zur Grunderkrankung“) könnte die Vorteile der Novellierung für Betroffene faktisch begrenzen.

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  1. Zusätzliche kritische Punkte zur Umsetzung ────────────────────────────────────────────────────────────────────────

5.1 Überprüfungsverfahren und Neufeststellungen
• Nach Inkrafttreten der 6. ÄndVO werden Widersprüche und laufende Überprüfungsverfahren nach neuem Recht beurteilt, sofern der Zeitpunkt der Entscheidung nach Wirksamwerden der Verordnung liegt. Eine unsichere Übergangszeit könnte zu divergierenden Entscheidungen führen.
• Wer bereits einen Bescheid hat, könnte theoretisch auf Verbesserung hoffen – oder bei einer Neufeststellung auch das Risiko einer Herabstufung tragen, wenn die neuen Grundsätze enger ausgelegt werden.

5.2 Dokumentationsanforderungen
• Die Klarstellung, dass Teilhabe und psychosoziale Faktoren stärker gewürdigt werden sollen, geht mit der Erwartung einher, dass Betroffene und Ärztinnen bzw. Ärzte sehr umfassende Berichte vorlegen. Ohne gründliche Nachweise bleibt dennoch vieles Ermessenssache der Gutachtenden.

5.3 Unverbindliche Formulierungen
• Teile des Entwurfs verwenden Formulierungen wie „in der Regel“, „kann indiziert sein“, was den Behörden Auslegungsspielräume lässt. Die bisher real existierenden Spannungen zwischen einer scheinbar großzügigen Verordnung und einer zurückhaltenden Praxis könnten sich fortsetzen oder gar verschärfen.

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  1. Zusammenfassende (kritische) Gesamtbewertung ────────────────────────────────────────────────────────────────────────
  • Die 6. ÄndVO zur VersMedV zielt darauf ab, die Feststellung von Behinderungen moderner und teilhabeorientierter zu gestalten. Prinzipiell ist das zu begrüßen, insbesondere die deutlichere Betonung psychischer und psychosomatischer Aspekte.
    • In Bezug auf die einzelnen Funktionsbereiche (Onkologie, Kardiologie, Orthopädie, Neurologie, Psyche, Rheumatologie, Endokrinologie, Sinnesorgane) werden meist bestehende Grundsätze sprachlich oder systematisch angepasst. Eine grundsätzliche Revolution ist hingegen nicht zu erwarten.
    • Kritisch bleibt die Gefahr, dass im Zuge der Neuformulierung detailreiche Hinweise für seltene und komplexe Krankheitsbilder entfallen. Zudem kann eine restriktive Lesart durch Versorgungsämter dazu führen, dass die von Betroffenen erhoffte höhere Transparenz und Teilhabeorientierung sich nur eingeschränkt in höheren GdB-Werten niederschlägt.
    • Wer in Zukunft Anträge stellt oder seinen Bescheid überprüfen lassen möchte, sollte sich sehr gezielt auf die nunmehr deutlich ausgesprochenen Aspekte zur Teilhabe und Komorbidität berufen – und das anhand möglichst umfassender ärztlicher Dokumentation untermauern. Nur so lässt sich eventuellem Behördenermessen entgegenwirken.

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  1. Fazit und Handlungsempfehlungen ────────────────────────────────────────────────────────────────────────
  • Obwohl die 6. ÄndVO offiziell auf eine Verbesserung und Modernisierung abzielt, ist ihr praktischer Effekt stark von der späteren Auslegung in den Versorgungsämtern abhängig.
    • Gerade in Grenzfällen (z. B. seltene Krebserkrankungen, komplexe psychische Komorbiditäten, schubförmige Autoimmunerkrankungen) ist es ratsam, schon im Verwaltungsverfahren möglichst umfangreiche Unterlagen beizubringen.
    • Bei sozialmedizinischen Gutachten zu Funktionsbereichen wie Bewegung, Herz-Kreislauf, Neurologie oder Psyche sollten Betroffene und ihre Ärztinnen bzw. Ärzte dezidiert darlegen, inwiefern die Teilhabeeinschränkungen wirklich die Alltagsbewältigung, die Erwerbsfähigkeit oder soziale Kontakte treffen.
    • Es bleibt abzuwarten, ob sich die Aussagekraft der neuen Bestimmungen langfristig verbessert und zu mehr Gerechtigkeit in der GdB-Feststellung führt oder ob die Behördenpraxis nach wie vor stark variiert.

Ich hoffe, diese ausführliche und zugleich kritische Darstellung hilft Ihnen dabei, die geplanten Veränderungen der 6. ÄndVO zur VersMedV im Detail zu verstehen. Sollten Sie weitere Fragen zu einzelnen Fachbereichen oder bereits konkrete Fälle haben, stehe ich gern zur Verfügung.

Auf den ersten Blick erscheint das Schwerbehindertenrecht vielen als eine Nische im deutschen Rechtssystem. Doch für diejenigen, die sich tiefer damit beschäftigen, wird schnell klar: Dieses Rechtsgebiet ist weit mehr als nur eine Ansammlung von Regelungen und Paragraphen. Es ist ein Rechtsbereich, der das Potenzial hat, echte gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen und Menschen in entscheidenden Lebensphasen zu unterstützen. Warum ist also das Schwerbehindertenrecht das spannendste Rechtsgebiet? Hier sind einige gute Gründe.

1. Es geht um echte Menschen und Schicksale

Im Schwerbehindertenrecht steht der Mensch im Mittelpunkt. Hier geht es nicht um abstrakte juristische Probleme oder formale Vertragsstreitigkeiten, sondern um die Rechte und Chancen von Menschen mit Behinderungen. Als Anwalt kämpft man für Personen, die mit erheblichen Einschränkungen im Alltag konfrontiert sind – sei es am Arbeitsplatz, bei der gesundheitlichen Versorgung oder in der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Das Schwerbehindertenrecht bietet die Möglichkeit, die Lebensqualität von Menschen spürbar zu verbessern. Man kämpft nicht nur für Paragraphen, sondern für das Recht, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Dieser direkte Einfluss auf das Leben der Mandanten macht die Arbeit nicht nur erfüllend, sondern auch unglaublich sinnvoll.

2. Enormer Gestaltungsspielraum und juristische Kreativität

Das Schwerbehindertenrecht ist ein Gebiet, in dem juristische Kreativität gefragt ist. Die gesetzlichen Regelungen, etwa im Sozialgesetzbuch (SGB IX), geben zwar einen Rahmen vor, aber innerhalb dieses Rahmens kann und muss ein Anwalt oft maßgeschneiderte Lösungen erarbeiten. Es geht nicht immer nur darum, bestehende Gesetze anzuwenden, sondern auch darum, individuelle Argumentationsstränge zu entwickeln und Lücken zu finden, um für den Mandanten das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Weiterlesen

Die Berichterstattung über das Corona-Virus begleitet uns alle seit mehreren Wochen. Ein Ende ist nicht in Sicht. Corona-Panik greift um sich und zeigt sich in Hamsterkäufen, abgesagten Veranstaltungen und Quarantänen.
Viele Leser dieser Seite sind behindert, körperlich oder psychisch, gehören vielleicht zudem zu den „Risikogruppen“ der Vorerkrankten (oder „Vulnerables“, wie die Kanzlerin so schön sagte). Nun sind Furcht und Angst etwas Natürliches. Der Sender n-tv berichtet auf seiner Seite, dass Panik sogar nützlich sein könne. Wer von Furcht bzw. der Corona-Panik erfasst ist, wird dem wahrscheinlich nur wenig abgewinnen können. Aber wie geht man mit der Epidemie und seinen Sorgen vernünftig um?
Wie man die Ängste im Zusammenhang mit dem Corona-Virus bewältigt, zeigt die Psychologin Karin Clemens, Geschäftsführerin des R+V-Dienstleisters HumanProtect in Köln in der letzten Ausgabe ihres Newsletters.


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Seit rund 20 Jahren halte ich meinen Vortrag „Anerkennung einer Schwerbehinderung“.

Um diesen Vortrag nun allen Interessierten, egal wo sie sich befinden, zur Verfügung stellen zu können, startet ab dem 1.8.2019 mein gleichnamiges Webinar, also ein Online-Vortrag, das mehrmals pro Woche stattfinden wird. Sehen Sie hier die Ankündigung des Webinars mit Einführungsvideo und lassen Sie sich benachrichtigen, sobald Sie Ihren Termin kostenfrei buchen können. In dem Webinar werde ich Ihnen in rund 90 Minuten alles erzählen, was Sie rund um die Anerkennung einer Schwerbehinderung wissen müssen. Darüber hinaus erhalten Sie noch diverse exklusive Geschenke als Bonus, um den Antrag „besser“ stellen zu können – aber sehen Sie selbst.

Die Versorgungsmedizinverordnung beinhaltet als Anlage die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“, anhand derer der Grad der Behinderung (GdB) und der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) festgestellt wird.

Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber wollte seit vergangenem Jahr nun diese Grundlagen in einigen wesentlichen Punkten ändern.

Das SPD-geführte Bundesministerium für Arbeit und Soziales hatte zuletzt – nach einem im vergangenen Jahr bereits heftig von den Sozialverbänden kritisierten Referentenentwurf – einen weiteren Entwurf für eine „6. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung“ vorgelegt, der nichts Gutes für Betroffene erwarten ließ. So wären auch nach diesem Entwurf künftig viele GdB niedriger ausfallen als bisher und dementsprechend Nachteilsausgleiche wegfallen.

„Das geht gar nicht“, war dann aus einigen Schwerbehindertenvertretungen zu hören, und drei Damen nahmen sich ein Herz und protestierten: Claudia Oswald-Timmler, Silke Buchborn und Ulrike Hepperle, allesamt Schwerbehindertenvertreterinnen. Sie sammelten in den vergangenen Wochen knapp 30.000 Unterschriften bundesweit und übergaben diese Ende Juni persönlich im Bundesministerium an den zuständigen Staatssekretär, Herrn Dr. Schmachtenberg.

Die Änderungsverordnung ist nun erst einmal vom Tisch.

Einblicke von dem Gespräch im Ministerium habe ich erbeten und wie es weiter geht habe ich Claudia Oswald-Timmler im Interview.

Kürzlich hatte ich auf dieser Seite über die drohenden Verschlechterungen für Behinderte hingewiesen, wenn der Referentenentwurf zur 6. Änderungsverordnung zur Versorgungsmedizinverordnung, der von der Bundesregierung vorbereitet wurde, umgesetzt wird. Weiterlesen

Die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) legt die Versorgungsmedizinischen Grundsätze fest. Diese bilden die Grundlage der Bewertung im Verfahren um die Anerkennung einer Schwerbehinderung. Der Gesetzgeber will nun diese Grundlagen in einigen wesentlichen Punkten ändern. Dies kann bei vielen Behinderten zu Verschlechterungen führen .
Das SPD-geführte Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat nun – nach einem im vergangenen Jahr bereits heftig von den Sozialverbänden kritisierten Referentenentwurf – einen weiteren Entwurf für eine „6. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung“ vorgelegt, der nichts Gutes für Betroffene erwarten lässt. So dürften auch nach diesem Entwurf künftig viele GdB niedriger ausfallen als bisher und dementsprechend Nachteilsausgleiche wegfallen. Weiterlesen

Nun ein Hinweis an alle Leserinnen und Leser der Seiten im östlichen Ruhrgebiet (z.B Dortmund, Schwerte, Hagen, Witten, Bochum, Herne, Castrop-Rauxel, Lünen, Kamen, Unna, Schwerte), die Gelegenheit haben, meinen Vortrag mit Diskussion rund um die Anerkennung einer Schwerbehinderung am 21. September 2018 um 18 Uhr in der VHS Dortmund zu hören.

Näheres auf der Vortragsseite.

 

Alle Leserinnen und Leser der Seiten am Niederrhein/im westlichen Ruhrgebiet (z.B Krefeld, Moers, Duisburg, Nettetal, Viersen, Neuss, Düsseldorf, Ratingen, Meerbusch) haben Gelegenheit, meinen Vortrag mit Diskussion rund um die Anerkennung einer Schwerbehinderung am 11. Oktober 2018 um 19 Uhr in der VHS Krefeld/Neunkirchen-Vluyn zu hören.

Details auf der Vortragsseite.

Wer eine Krebserkrankung (so weit) hinter sich gebracht hat und rückfallfrei geblieben ist, dem bleibt in aller Regel mehr oder weniger Angst, dass der Krebs zurückkommen könnte (Rezidivangst). Nach einer gewissen Zeit der Rückfallfreiheit wird das Versorgungsamt von einer Heilungsbewährung ausgehen und an Sie herantreten, um den GdB abzusenken.
Dabei bedeutet die „Heilungsbewährung“ nach Krebserkrankung nicht primär, dass nicht auch dann, wenn kein Rückfall aufgetreten ist, keine erhebliche Rezidivgefahr mehr besteht. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass die bisherige abstrakte Bewertung von unterstellten physischen und psychischen Auswirkungen der Erkrankung nicht mehr gerechtfertigt ist und eine Neufeststellung des GdB erforderlich wird. Sehen Sie hierzu die Beiträge hier und hier.
Was, wenn der Betroffene nun wegen einer nicht ausgeschlossenen und / oder erhöhten Rezidivgefahr Rezidivangst verspürt? Dann ändert sich an dem Gesagten nichts. Es sei denn, die Rezidivangst geht über das „normale Maß“ hinaus und entwickelt eigenen Krankheitscharakter im Sinne einer psychischen Gesundheitsstörung. Weiterlesen